Bertolt Brecht - Die Dreigroschen Oper1990

1987 - Eine Rückblende anlässlich der Aufführung der Dreigroschenoper im
Theater des Westens

Aus dem Inhalt:

"...Der Mensch lebt durch den Kopf..."

Wenn sich morgen im Theater des Westens der Premierenvorhang hebt, dann wird ein Stück ganz großer Theatergeschichte wieder lebendig, ein Stück, das brecht und seine revolutionären Theaterthesen in der ganzen Welt bekannt gemacht hat: Die 3 Groschen Oper.

"... In einer Zeit, die längst vergangen ist......"

Es begann im Theater am Schiffbauer Damm, das heute in Ostberlin noch genauso dasteht wie im August 1982, als die 3 Groschenoper ihre Uraufführung erlebte.
Lotte Lenya, die in dem Stück die Jenny spielen sollte, berichtet, dass wohl kein anderes Stück in der Theatergeschichte kurz vor der Premiere eine derartige Kette von Katastrophen erlebt hat, wie die 3 Groschenoper.
Reihenweise fielen Schauspieler aus, wegen Krankheit, Unlust oder weil sie - Zitat: "solche Schweinereien um keinen Preis singen wollten.

"... Ja da muss man sich doch einfach hinlegen..."

Die Presse berichtete noch vor der Premiere, Brecht und der Komponist Weill wollten das Publikum mit einem wüsten Durcheinander vor den Kopf stossen - dass die 3 Groschenoper weder eine Oper noch eine Operette, weder ein Kabarett noch ein Drama, sondern von allem etwas sei ... das Ganze eingetunkt in eine exotische Jazz Sauce, mit einem Wort: ungeniessbar.
Demzufolge war das Premierenpublikum von Anfang an kühl und teilnahmslos.
Bis zum 2. Bild - der Hochzeitsszene.
Da kam der Kanonensong. Millionen Tote und Krüppel aus dem Weltkrieg hatten nichts geändert. An den Stammtischen und in den Freikorps wurde vom Krieg geschwärmt - genauso, wie im Kanonensong.


"...Soldaten wohnen, auf den Kanonen..."

Das Publikum verstand, was und wie es gemeint war. Es erhob sich von den Plätzen und trampelte Beifall.
Fast 60 Jahre sind seit der Uraufführung vergangen. In Berlin, Ende der 20er Jahre, trafen die Extreme der neuen Zeit mit einer Schärfe aufeinander, wie nirgends sonst. Eine Zeit, in der die Kluft zwischen arm und reich immer grösser wurde, eine Zeit, in der durch Korruption und Spekulation die grossen Vermögen gemacht wurden, während die soziale Verelendung weiter Bevölkerungskreise immer weiter fortschritt. Eine Gesellschaft der Gauner und Bettler, und genau die brachte Brecht auf die Bühne, inclusive Bibelzitat und Ehrenkodex - die ganze verlogene Moral.

"... Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so..."

Kein Zweifel - auch heute noch treffen die Texte Brechts. Und deshalb ist die 3 Groschenoper mehr als nur eine theatergeschichtliche Erinnerung.
Die ehrenwerte Gesellschaft der Gauner und Bettler ist nach wie vor im Geschäft und immer noch gilt, was Polly als Fazit singt:

"...Denn die einen stehn im Dunkel und die andren stehn im Licht..."

Ein Bericht von Michael Plümpe, 1987, Archiv ergo-film