Kurt Tucholsky. Erinnerung an einen kleinen, dicken Berliner.

Anlässlich einer Aufführung in der Vagantenbühne, Berlin, 1988


Aus dem Inhalt:

(song) .. Sie kenn' doch Murmeln...

Als er das Lied von den Murmeln schrieb, da glaubte er noch, die Welt verändern zu können: Kurt Tucholsky, ein kleiner, dicker Berliner, der diese Stadt und ihre Menschen kannte, wie kein anderer. Nichts blieb ihm hier verborgen, nicht einmal, was Herr Wendriner, ein kleiner, spießiger Geschäftsmann so dachte, wenn er neben seiner Frau lag und nicht einschlafen konnte:

O TON
„... Herrgott, jetzt hab ich ganz vergessen (...) Wie ich noch die Sache mit Greten gehabt habe (...) Ich denk jetzt so oft an den Tod (...)

45 Jahre ist Tucholsky alt geworden: Selbstmord im schwedischen Exil, nachdem de Nazis seine Bücher verbrannt hatten. Hier ist er geboren, in Berlin Moabit, Lübecker Str. 13, vor genau 100 Jahren. Das war einst ein wohlhabendes, gutbürgerliches Viertel, aber gleich um die Ecke begann der rote Wedding, mit Mietskasernen, engen Hinterhöfen, billigen Kneipen, Kohlgeruch und Arbeitslosen.

Richtung Osten, auf der anderen Seite der Lübecker Straße, begann die brodelnde City, Friedrichstraße, die Linden, und ein paar Straßen Richtung Süden lag der feine Tiergarten, das Millionärs- und Diplomaten Viertel.
Zwischen diesen Extremen wuchs er auf, hat mit denen vom Wedding und mit denen vom Tiergarten Murmeln gespielt – und sich sein Teil dabei gedacht.

Tucholsky war erfolgreich, keiner von den hungernden Dichtern, aber auch, wenn man fest auf einem Stuhl sitzt, kann man doch zwischen den Stühlen sitzen. Zum Beispiel, wenn einem mal ein befreundetes Ehepaar einen Witz erzählen will:

O TON
Witz

Leider reicht unsere Sendezeit nicht aus, um den Witz noch näher kennenzulernen. Er wird aber ausführlich in der Vagantenbühne erzählt, gleich neben dem Theater des Westens. Und wer dann Tucholsky-süchtig geworden ist, der findet in West wie Ost noch reichlich Gelegenheit, Tucholsky über den Weg zu laufen. Denn Herr Wendriner & Co sind überall..

Ein Bericht von Michael Plümpe, 1989, Archiv ergo-film