Chabrol dreht in Berlin "Dr. M."

Schlagzeilen aus der Zukunft: In wenigen Jahren wird in Berlin die Macht der Finsternis zuschlagen. Ihr Handlanger: ein gewisser Dr. M....   (1989)


Aus dem Inhalt:

Schwerer Verkehrsunfall auf dem S Bahnhof Westkreuz. Eine junge Frau hat sich vor den einfahrenden Zug gestürzt. Bei der plötzlichen Vollbremsung gab es unter den Fahrgästen zahlreiche Verletzte. Exakt zum gleichen Zeitpunkt, um 8.00 Uhr, gab es zwei weitere Selbstmorde in anderen Teilen der Stadt: ein bekannter Fernsehmoderator stürzte sich aus dem Fenster, ein LKW Fahrer sprengte sich mitsamt seinem LKW in die Luft.

Schlagzeilen aus der Zukunft: in wenigen Jahren wird in Berlin die Macht der Finsternis zuschlagen. Ihr Handlanger: ein gewisser Dr. M., und das M erinnert nicht zufällig an Dr. Mabuse. Claude Chabrol, französischer Star Regisseur, dreht seinen neuesten Film in Berlin und Dr. Mabuse, den einst Fritz Lang erfand, Dr. Mabuse könnte durchaus Dr. M. sein.

O Ton
Achtung Aufnahme ... Äktschn

Auf einem Monitor beobachtete Chabrol, was die Filmkamera einfängt, und er ist dabei so entspannt, daß man glauben könnte, er säße in seinem Wohnzimmer vorm Fernseher. Fehlen bloß noch die Salzstangen. Er ist ein fauler Mensch – behauptet er von sich selber – einer, der das gute Leben liebt.

Nur keine Komplikationen, nichts ist schlimmer.

Er muss es wissen, denn genau das ist seine Spezialität: der Sündenfall, das Böse, die Wölfe im Schafspelz – in über 60 Filmen hat er sie minutiös vorgeführt.

Erst vor ein paar Wochen kam sein letzter Film in die Kinos: Titel „Eine Frauensache“ – die Geschichte von einer Mutter, die ihr Geld mit Abtreibungen verdient – und dafür unter die Gouillotine kommt.

Während Chabrol vor seinem Fernseher sitzt, muss die Familie arbeiten. Cécile, seine Tochter, grüne Baskenmütze, wuselt als Regieassistentin durch die Szene, während seine Frau die Abläufe notiert. Jean Rabier, der Kameramann, der hier gerade nachkuckt, ob das Sonnenlicht nicht endlich verschwindet, ist seit 30 Jahren dabei – also ein richtiges Familienunternehmen.

Außer Pfeife rauchend und fernsehend im Kreise seiner Familie Millionen Dollar teure Filme zu produzieren, hat Chabrol noch eine weitere Leidenschaft:

O TON
Mittagessen

Wenn's was zu essen gibt, ist Chabrol der erste, der vom Drehort verschwindet. Wie gesagt, er liebt das gute Leben. Aber diesmal war sein Kameramann schneller und sehr aufmerksam verfolgt Chabrol, wie vor seinen Augen gnadenlos das Buffet geplündert wird.

CHABROL : „... Il devalise tout...“

« Er räumt total ab » versucht Chabrol die hinter ihm Stehenden aufzuwiegeln. „... Er nimmt alles, nichts bleibt übrig...“
Doch wie man sieht, verhungern muss Monsieur Chabrol nicht, so daß er bald wieder vor seinem Fernseher sitzen wird, um zu sehen, wie Berlin von Dr. M. in Angst und Schrecken versetzt wird.

Ein Bericht von Michael Plümpe, 1989, Archiv ergo-film