Freie Berliner Kunstausstellung

1989
Jetzt mit Kunstberechtigungsausweis !


Aus dem Inhalt:

Hier ist er wieder, der jährliche Markt der Eitelkeiten und Genies, die Welt der Künstler und solcher, die's gerne wären: in den Messehallen am Funkturm läuft die „Freie Berliner Kunstausstellung“ und noch bis zum 7. Mai hat hier jeder seine Chance.

INT:
Stiliachus ist mein Name ... daß sie endlich berechtigt sind, das ist ne tolle Sache...

„Ne tolle Sache“ – wohlmöglich überall in der Welt, wo Kunst mit dem Etikett „Achtung Elite“ nach Art der Geheimzirkel stattfindet. Hier in Berlin jedoch sind solche „Kunstberechtigungsausweise“ so überflüssig, wie Scheuklappen für dieses Pferd. Denn auf der „Freien Berliner Kunstausstellung“ kann kein Galerist, keine Jury verbieten oder zulassen, jedermann, jedefrau darf eine Arbeit ausstellen: 2.300 Künstler sind es dieses Mal auf 9000 Quadratmetern – ein Kunst-Marathon und ein echter Kunst-Markt dazu.

Int:
...Übergeistig, es geht nicht nach Gewicht...

Ganz schön anstrengend, so ein Kunst „Markt“, doch wer die Freie Berliner Kunstausstellung kennt und ihre Strapazen, der hat vorgesorgt, und was dem einen das Sekt Picknick am Rande ist dem anderen die klassenbewußte Büchse Bier oder das Fläschchen Milch. So gestärkt kann der Familienausflug weitergehen, dorthin, wo getrommelt wird, denn Trommeln gehört auch hier zum Handwer

O Ton Bolle Gerüst
“Meine Damen und Herren, werte Besucherinnen und Besucher, Freunde und Genossen. Das war die Injektion lebendiger Organismen in ein totes Gerüst mit musikalischer Begleitung und einem Blumenarrangement...“


Und keiner fragt warum und wieso, denn erstens macht es Spaß und zweitens weiß man ja längst, daß hinter sowas immer der Zeitgeist steckt. Und der ist manchmal sogar ganz deutlich zu erkennen wie in diesem Kommentar zu den Berliner Wahlen.

O TON
„... ich denke mehr daran ... dann ist meine Mission eigentlich erfüllt“

Hier porträtierte Mathias Koeppel seinen Kollegen Vostell auf der Dampflok, die so voriges Jahr am Anhalter Bahnhof zu bewundern war. 16.000 Mark kostet das Bild und es ist so gut wie verkauft.

Dieses dagegen noch lange nicht, obwohl es viele tausend Mark billiger ist.

O TON:
„... Das ist meine Situation ... aber kein einziges Bild verkauft...“

Davon lässt sich der Nachwuchs natürlich nicht irritieren. Im eigens eingerichteten Kinderatelier wird heftig gearbeitet.

INT
„ich male, ich mal hier grad das Kolosseum in Rom und vorhin hab ich den schiefen Turm von Pisa gemalt und den Eiffelturm und so...Hast du denn das Kolosseum in Rom schon mal gesehen ? Na ja nur im Film ... Hast du dir die Ausstellung auch schon mal angekuckt ? Ja – und wie findest du die ? – Na ja, manche Bilder sind etwas gekrakelt, aber ich finde sie schön...

Dem wäre wohl nichts mehr hinzuzufügen.

Ein Bericht von Michael Plümpe, 1989, Archiv ergo-film